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Vaterunser-Kapelle im Ibental – Buchenbach
Die Vaterunser-Kapelle, geweiht 1968, steht oberhalb des Wagensteigbachs am Eingang zum Ibental rechterhand an der Landstraße (Ibentalstraße), die von „Burg am Wald“ ins Ibental führt.
Sie gehört zur Gemarkung Buchenbach, Ortststeil Unteribental. Liturgisch wird die Kapelle von der Gemeinde St. Blasius, Buchenbach, betreut, die zur Seelsorgeeinheit Dreisamtal gehört.
Eigentümerin ist die Stiftung „Oratio Dominica“.
Die Kapelle wurde von Dr. Theophil Herder-Dorneich (1898-1987) und
seiner Ehefrau
Elisabeth (1900-1980)
gestiftet:
„Erbaut als ein Zeichen am Weg für das Wirken des Geistes in der Welt, für Gebet und Gottesdienst, für Frieden unter den Völkern, Konfessionen und Religionen“ [Text im Info-Kasten am Eingang der Kapelle, 2023].
Der Kapellenentwurf stammt von Werner Groh, Architekt aus Karlsruhe. Der Kapellen-Grundriss ist ein gleichseitiges Sechseck. Über dem gedrungen wirkenden Erdgeschoss aus Sichtbeton erhebt sich ein Turmhelm mit Glockenstube. 18 Meter hoch ragt er zusammen mit dem Kreuz auf seiner Spitze in die Höhe.
Kapellen-Ostseite mit dem Eingangsbereich, rechts das Namensemblem auf der Eingangstür
– Linkes und rechtes Foto aus dem Jahr 2011 – vor der Restaurierung, mittleres Foto danach, aus dem Jahr 2023 –
Die Kapelle und ihre Ausstattung zeigt dem Besucher neben dem Bezug zum Vaterunser als zentralem Thema eine Vielfalt von Symbolen zur Schöpfung, zum Kosmos und zum Menschen.
Im Zentrum des Kapellenraums steht der aus rötlichem Standstein gearbeitete Altar unter der Lichtkuppel des Turmhelms, abgestützt durch sechs Holzsäulen, an jeder ein bronzener Kerzenhalter. Sie „tragen Ähren und Weintrauben als Symbole für die eucharistischen Gaben Brot und Wein“ [Oratio dominica].
Auf der vorderen Seite der Altarplatte ist die 4. Bitte des Vaterunsers zu lesen: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“
Über dem Altar hängt ein altes Wegkreuz aus dem Glottertal.
Zur Mitte des Kapellenraums, dem erhöhten Altarraum, öffnen sich an den Spitzen des Grundriss-Sechsecks sechs Nischen. Jede ist einer Vaterunser-Bitte zugeordnet, wobei der Altar die vierte, die Bitte um Brot, darstellt. In den sechs Nischen stehen Bildwerke und sind die Bitten des Vaterunsers – bei der linken Nische beginnend – aufgeschrieben. Die Nischen und der Altar sind den sieben Schöpfungstagen zugeordnet, erzählt im Buch Genesis (1. Buch Moses) der hebräischen Bibel.
Erste Nische (links vom Eingang)
„Vater unser im Himmel, geheiligt werden dein Name“ …
Erster Schöpfungstag – Licht
Feuerherd
Zweite Nische
„Dein Reich komme“ …
Zweiter Schöpfungstag – Wasser
Weihe- und Taufbrunnen mit fließendem Wasser
Dritte Nische
„Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“ …
Dritter Schöpfungstag – Meer und Land
Gneis-Findling aus dem Schwarzwald auf einem Sockel aus Lava (Limburg am Kaiserstuhl)
Altar – Mitte der Kapelle
„Unser tägliches Brot gib uns heute“ …
Vierter Schöpfungstag – Sonne, Mond und Sterne
Altartisch aus rötlichem Sandstein, weißer Stein des Reliquiars im Tisch (Ursprung: Privatkapelle aus Velletri, Italien)
Fünfte Nische
„Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unserem Schuldigern“ …
Fünfter Schöpfungstag – Tiere
Richter- oder Gnadenstuhl (grau-grüner St. Margareter Sandstein, Schweiz)
Sechste Nische
„Und führe uns nicht in Versuchung“ …
Sechster Schöpfungstag – Wasser
Zwei Sandsteinstehlen umfassen einen bäuerlichen Ölkrug und
einen Lavastein, dazwischen der Tabernakel
Siebte Nische (rechts vom Eingang)
„Erlöse uns von dem Bösen“ …
Siebter Schöpfungstag – Gott ruht
Konzertorgel, Glocke und Uhr
Die Bildwerke „Feuerbrunnen“ und „Weihe- und Taufbrunnen“ wurden vom Architekten Werner Groh geschaffen, „Findling“, „Gnadenstuhl“ und „Sandsteinstelen“ vom Breisacher Künstler Helmut Lutz (*1941)
Tageslicht fällt in die Nischen durch seitliche Glasfenster, die der Graphiker Alfred Riedel entworfen hat. Gefertigt sind sie im Stil von Betonglasfenstern mit dicke, vielfarbigen Glasstücken: „Weißglasfenster mit jeweils nur einigen Farbakzenten“ [Oratio dominica], die vorchristliche Kreuzmotive aufgreifen.
An der Kapellenrückwand hängt ein Mosaikschale, gestaltet von Hans Baumann, davor steht auf einem Sockel eine Marienstatue – eine alte Nachbildung des Gnadenbildes von Maria Zell in der Steiermark.
Vor dem Mosaik ist auf dem Fußboden ein Sator-Quadrat im Boden ausgelegt: „Ein aus römischer Zeit bekanntes heidnisches Sgrafitto aus der pompejanischen Villa des Paquius Procullus“ [Hermann Althaus]. Möglichen Übersetzung: Der Sämann Arepo hält mit Mühe die Räder.
Mit hellen, schmalen Steinen ist am Rand der 25 Felder des Quadrats ein Jerusalemer Kreuz ausgelegt: vier kleine Kreuze in den vier Feldern eines großen Kruckenkeuzes (Kreuz mit Querbalken am Ende der gleichlangen Arme).
Links und rechts des Quadrats befinden sich die die Gräber des Stifterehepaars sowie die Gräber ihrer Tochter Elisabeth und deren Mann, Guido Manago
Spätestens, wenn man die Kapelle verlässt, fallen noch zwei weitere Details der Kapelle auf.
Über dem Türsturz des Ausgangs liest man den abschließenden
Lobpreis des Vaterunsers:
Denn dein ist das Reich +
die Kraft + und die Herrlichkeit in Ewigkeit
Amen
Schriftzug wird von zwei Emailtäfelchen begleitet. Die linke weist auf die Eucharistie hin, die rechte vielleicht auf das himmlische Jerusalem. Gestaltet sind sie vom Schweizer Künstlerin Silvia Magnin-D’Altri (1935-2016)
Neben dem Ausgang fällt der Blick an der rechten Wand auf eine Sandsteintafel mit eingraviertem lateinischem Text. Übersetzt lautet er:
„Im Heiligtum des himmlischen Vaters strahlet Herrlichkeit,
stärkt Gnade, weilt Frieden“.
Verfasst und der Kapelle gewidmet wurde er vom Abt des Kloster Neuburg, Albert Ohlmeyer (1905-1998).
Als „Chronogramm“ geschrieben, verschlüsselt der Abt darin das Jahr der Kapellen-Einweihung, 1968. Die Jahreszahl ergibt sich als Summe der darin rot markierten Buchstaben, gelesen als römischen Ziffern.
Die Gemme mit einer Verkündigungs-Szene in der rechten unteren Ecke der Tafel erinnert daran, dass der Einweihungstag (25. März) auf das Fest Mariae Verkündigung fiel. [Johannes Amadeus, Seite 336]
Geschnitten ist die Gemme von Martin Seitz (1895-1988).
Auf dem Weg vom Parkplatz zur Kapelle ruht auf einem Sockel eine große „Himmels“-Kugel mit Tierkreis-zeichen und den Symbolen der Evangelisten. Zwischen den bekannten astronomischen Tierkreiszeichen sind figürlich die Bilder der Evangelisten eingeordnet:
Stier – Lukas / Löwe – Markus / Skorbion – Johannes (Adler) / Wassermann – Matthäus (Mensch).
Skulptur auf den zwei rechten Fotos noch nicht renoviert, Aufnahmen von 2011
Foto links oben: Bild für Matthäus (Mensch) – Fische – Widder – Bild für Lukas (Stier)
Fotos rechts oben: Jungfrau – Waage – Bild für Johannes (Adler) – Schützen
Foto rechts: Bild für Johannes (Adler) – Schützen – Steinbock – Bild für Matthäus (Mensch)
Sonnenuhr
Als Sockelaufschrift, verteilt auf drei benachbarte Seiten, ist zu lesen:
„Du Mensch Sprache Gottes / gleiche der Sonne / ruh in der Mitte deiner Bewegung.“
Die vierte Sockelseite trägt die Zeitmarken für die Sonnenuhr, ihr „Zeiger“ ist die Achse der „Himmels“-Kugel, die über den Sockelrand hinausreicht.
Steigt man von der Landstraße, die ins Ibental führt, hinauf zur Kapelle, wird man linkerhand vom herabfließenden Wasser einer Brunneninstallation begleitet. Das Wasser sprudelt aus einem Brunnen, neben der Kapelle, der auf einem sechseckigen Betonsockel steht.
1965/67Bau der Kapelle
1968Weihe der Kapelle am 25. März 1968
2017Aufnahme der Kapelle in die Liste der Kulturdenkmale in
Baden-Württemberg
2019/20Restaurierung der Kapelle mit Zuschuss der Denkmalstiftung
Tafel rechts neben dem Eingang der Kapelle
September 2023